Praktika

Die Praktika der Waldorfschulen sind ein integraler Bestandteil des Oberstufenplans. Sie setzen zu dem Zeitpunkt ein, wo es darum geht, die selbständige Entwicklung der Schüler zu fördern, indem ihr Interesse besonders auf die sie umgebende Welt gerichtet wird. In unserer industrialisierten Gesellschaft haben die jungen Menschen kaum noch Gelegenheit, praktische Lebenserfahrungen zu sammeln. Mit unseren Praktika versuchen wir den Schülern Erfahrungen zu vermitteln, die zu einer „Lebensschulung“ gehören, im Schulalltag aber nicht „erlernt“ werden können. Der Sinn liegt dabei nicht in der Berufsfindung, sondern im Erüben sozialer und persönlicher Fähigkeiten. Der Verlauf der Praktika wird von den Jugendlichen dokumentiert, um ihre Erfahrungen anschließend an einem Präsentationsabend darzustellen. Die gegenseitige Wahrnehmung an dieser Vorstellung weitet zusätzlich den eigenen Horizont.

Landwirtschaftspraktikum

In der 10. Klasse gehen die Schüler für 3 Wochen alleine oder zu zweit in das Landwirtschaftspraktikum.

Dabei tauchen sie ganz in den abwechslungsreichen und lebendigen Alltag eines Bauernhofes ein, indem sie dort leben und mitarbeiten. Es ermöglicht ihnen zum einen, Naturprozesse intensiv zu erleben und zu verstehen, ein erweitertes Bewusstsein für die Herkunft der Lebensmittel zu bekommen und sich in neue soziale Begebenheiten einzufügen. Zum anderen können sie sich in einer ganz anderen Weise als auf der Schulbank mit ihren Fähigkeiten praktisch erproben.

In jedem Jahr zeigt es sich bei der anschließenden Präsentation in der Schule, dass die Praktikanten in der Regel stolz, gestärkt und mit reichen Erfahrungen zurückkommen, ein Stück reifer und selbstbewusster, gerade auch wenn sie an Grenzen gestoßen sind und diese überwunden haben. Deshalb ist das Landwirtschaftspraktikum schon seit Jahrzehnten an Waldorfschulen ein wichtiger Teil der Pädagogik, um die Persönlichkeit des Schülers gerade in diesem Lebensalter zu stärken.

Vermessungspraktikum

Das Vermessungspraktikum ist ein wesentlicher Bestandteil des Oberstufenlehrplanes einer Waldorfschule. Grundlage ist die Trigonometrie im Mathematikunterricht der 10. Klasse.

Nach einer theoretischen Vorbereitung in der Schule fahren die Zehntklässler für zwei Wochen zum Vermessen und Kartieren in eine landschaftlich interessante Gegend. Die Schüler und Schülerinnen werden dort in der Regel einfach untergebracht und müssen sich unter Anleitung selbst versorgen. Die Klasse wird vorher in Messtrupps von 3-4 Schülern eingeteilt, wobei die Zusammensetzung der Gruppen so gewählt wird, dass eine fruchtbare Arbeit im Team möglich ist. Jeder wird mit seinen Fähigkeiten gebraucht und jeder kann sich in neuen Aufgaben erproben und bewähren. Am Ende müssen die Messergebnisse stimmen. Zusammen mit den Resultaten der anderen Gruppen werden sie zu einem Ganzen in der Karte zusammengefügt.

Auf der Basis mehrerer durch Pflöcke markierter Polygonzüge werden Längen, Winkel und Höhendifferenzen (Nivellement) bestimmt. In dieses Netz werden anschließend Gebäude, Verlauf von Wegen und Straßen, Bäume, Waldränder, Gewässer und Stromleitungen eingemessen. Hierbei lernen die Schüler und Schülerinnen mit sehr genauen Messinstrumenten (z.B. Theodoliten) zu arbeiten. Technisches Verständnis ist gefragt. Gerätefehler müssen durch ausgeklügelte Messmethoden reduziert und die Messwerte gewissenhaft protokolliert werden. Anschließend wird alles in Koordinaten umgerechnet. Jetzt ist der Mathematiker gefordert.

Ziel ist natürlich nicht, die Schüler und Schülerinnen zu Vermessungstechnikern auszubilden. Es gibt einen konkreten Messauftrag und es gibt einen klaren Weg, um diese Aufgabe zu lösen. Das ist nur im Team möglich.

Welche Mühe bedeutet es, eine falsch ermittelte Strecke nochmal messen zu müssen? Alle sind betroffen. Das erzieht zu gewissenhafter Arbeit. Beim Zeichnen entstehen plötzlich Zweifel: ”Sah das wirklich so aus?” Mancher Schüler geht mit seiner Karte nach draußen, um seine Darstellung in der Realität zu prüfen. Schlimmstenfalls muss nochmal gemessen werden. Ein Blick auf Google Earth: ”Wir sind doch wirklich ganz gut! Außerdem stammt das Satellitenfoto aus dem Jahre 2006.”

Den Abschluss bildet ein Präsentationsabend vor den Eltern, Kollegen und den Mitschülern, insbesondere den 9.-Klässlern. An diesem Abend sind die fertig gezeichneten Karten und Fotos vom Praktikum zu sehen. Die Schüler und Schülerinnen berichten einzeln oder in kleinen Gruppen, was sie im Praktikum gelernt und erlebt haben. Dabei führen sie die wichtigsten Messverfahren vor und erläutern diese.

Betriebspraktikum

Das Betriebs- oder Sozialpraktikum in der 11.Klasse:

Im Verlauf der 11. Klasse soll das allmählich herannahende Ende der Schulzeit verstärkt in das Bewusstsein der Schüler gerückt werden. Eigene Neigungen und Interessen bestimmen in besonderem Maße das Handeln der Jugendlichen. Aber der Blick geht auch über die Schulzeit hinaus; Vorstellungen und Wünsche für den eigenen Lebensweg entstehen. Ein Betriebs- oder Sozialpraktikum soll die Schüler in diesem Prozess fördern. Selbstständig sollen sie sich einen Wirtschaftsbetrieb ihres Interesses aussuchen, sich bewerben und während der drei Wochen intensive Arbeitserfahrungen sammeln. Besonders durch ein Sozialpraktikum wird zudem speziell das Bewusstsein für die Gestaltung des sozialen Miteinanders geschärft. Wählt ein Schüler ein derartiges Praktikum, erlaubt sein Reifestand einen Blick auf persönliche und intime menschliche Verhältnisse innerhalb der Gesellschaft. Respekt vor den Mitmenschen ist eine wertvolle Erfahrung auf dem Weg ins Arbeitsleben.

Ziele des Praktikums:

Die Schüler/innen sollen auf sich allein gestellt ihre Erfahrungen in der Arbeitswelt machen können. Sie erhalten während des Praktikums jedoch Besuch durch einen schulischen Betreuer. Während des Praktikums führen die Schüler ein Berichtsheft, in dem der Betrieb, ihre eigene Arbeit und Erfahrungen notiert werden. Außerdem enthält es einen Reflexionsteil. Zum Abschluss des Praktikums gehört eine Präsentation vor der Schulgemeinschaft.